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Leseprobe

Es war der dritte Zyklus, im sechzehnten Jahr des Schwarzen Pferdes (1162) in der Nähe des heiligen Berges Burchan Chaldun am Oberlauf des Flusses Onon.

Der Burchan Chaldun ist der höchste Berg im östlichen Teil des Chentii-Gebirges im Norden der Mongolei. Er ist Bestandteil der Wasserscheide zwischen dem nördlichen Eismeer und dem Pazifik.

Sein Name bedeutet >Göttliche Weide< und verweist auf die lange Verehrung, die dem Berg schon immer entgegengebracht wurde. Hier lebten die Geister, die den Menschen Wasser und Fruchtbarkeit brachten und denen zu bestimmten Anlässen und Festtagen geopfert wurde. Die Borjigin bestatteten hier ihre Toten. Die Ahnen wurden mit den Geistern gleichgesetzt, sie sollten durch die Bestattung an diesem heiligen Ort innerhalb der Sippe bleiben. Der Berg wird immer noch in Form von Staatsakten verehrt und auf seinem Gipfel findet man noch ein Obo, ein kultisches Steinmännchen, mit alten Opfergaben.

Yesügai, der Häuptling der Borjigin, hockte frierend und dementsprechend auch verdrossen vor seiner Jurte. Man hatte ihn einfach hinausgeschickt in die Kälte. Die Nacht war sternenklar und kalter Wind pfiff ihm um die Ohren. Die Kappe aus Mäusefell nützte ihm wenig. Er trug zwar auch einen wattierten Mantel, den Chöwöntei Deel, der wärmte ihn aber auch fast nicht. Gefüttert mit Fellen von Mäusen und Hunden bot er nun wirklich keinen ausreichenden Schutz gegen den Wind, der immer ärger wütete.  Darunter trug er noch den Deel, ein robenartiges Kleidungsstück ohne Taschen, dafür um die Taille umwickelt von der traditionellen Seidenschärpe. Daran trug man wichtige Gegenstände, wie etwa das Essgeschirr und das Schwert.

Er nagte am Knochen seines Hundes, den er vor wenigen Tagen schlachten musste, um seine Familie mit Fleisch zu versorgen. Vielleicht würde er im abgenagten Knochen noch ein wenig vom Knochenmark finden? Besser als Nichts! Er trauerte nicht ernsthaft um den Hund! So ein Gefühl kannte er nicht. Aber Fleisch war für die Mongolen eben lebenswichtig. Es bildete auch den Hauptbestandteil ihrer Ernährung. Was nicht gleich aufgegessen werden konnte, wurde in guten Tagen getrocknet oder geräuchert. Verfügten sie, was selten genug vorkam, über Getreide, kam auch mal Schleimsuppe oder Brot auf den Tisch. Seltene Delikatessen.

Nur, die letzten Wochen dieses kalten Winters hatten Yesügais Clan keine guten Tage beschert. Die langen, kalten und dunklen Winter brachten alle Aktivitäten zum Erliegen. Im Sommer war es auch nicht viel besser. Die Hitze trocknete den Erdboden aus und vernichtete die Vegetation bis auf kümmerliche Reste. Wie es eben für die Steppe schon immer typisch gewesen war. An Landwirtschaft, wie sie in China schon seit siebentausend Jahren betrieben wurde, war unter diesen Umständen und in der unwirtlichen Steppe nicht zu denken.

Bei den Familien und den Clans bestimmten die Umwelt, das Wetter und die Sorge um die tägliche Nahrung das Überleben. Aber man musste sich eben damit abfinden. So war es immer schon gewesen. Es war zum Beispiel auch selbstverständlich, dass in Zeiten der Not Mäuse, Ratten und andere Kleintiere und sogar die eigenen Hunde und Katzen die Speisekarte ergänzten. Dies war eben Bestandteil ihres täglichen Überlebenskampfes. Eine erfolgreiche Jagd war im Winter eine sehr schwierige Angelegenheit. Man musste schon gehöriges Glück haben, um ein Tier erlegen zu können. Yesügai war dieses Glück die letzten Tage versagt geblieben. Lediglich einen mickrigen Schneehasen konnte er erbeuten. Aber das war für alle viel zu wenig. Yesügais Clan war, wie die meisten anderen Clans, bitterarm. Man lebte isoliert und meist auch in strikter Feindschaft zueinander. Uneinigkeit und Zwist herrschten unter den mongolischen Stämmen.

Warum? Das wusste man eigentlich nicht so genau. Es war eben immer so gewesen und es gehörte zu ihrer Tradition, sich gegenseitig die Schädel einzuschlagen oder sich irgendwie anders umzubringen. Die laufenden Stammesfehden forderten immer wieder auch ihre Opfer. Meist unter den jungen und kräftigen Männern.

Diese wurden dann nach dem uralten schamanistischen Brauch der >Himmelsbestattung< entsorgt. Das bedeutete nichts anderes als dass der Tote nackt in die Steppe gelegt wurde. Alles Weitere überließ man dann den Tieren. Die Geschwindigkeit, mit der sie den Leichnam beseitigten, galt als Indikator für den Lebenswandel des Verstorbenen. Die mit gutem Lebenswandel wurden schneller entsorgt.

Yesügai war in etwa dreißig Jahre – wie alt er wirklich war wusste er nicht – und der Häuptling der Borjigin, des Wildenten-Clans. Er war nicht besonders groß, aber ausgeprägte Muskeln an seinen Oberarmen deuteten auf kräftiges Zupacken hin. Im Kampf gegen andere hatte er sich bisher immer als der Überlegenere erwiesen.

Sein kräftiges schwarzes Haar hatte er, der Sitte entsprechend, bis zur Hälfte des Kopfes rasiert. Am Hinterhaupt zeugte ein langer geflochtener Zopf von seinem Rang. Die Unmengen an Kopfläusen störten ihn nicht. Daran war er von Kind an gewöhnt. Alle anderen hatten sie ja auch. Am Kopf und sonst auch noch wo.

Besondere Vorteile von seinem Rang als Clanführer hatte Yesügai nicht. Er trug nur mehr Verantwortung. Die Führungsrolle hatte er von seinem Vater übernommen und dieser wieder von seinem Vater und so weiter. Sein Clan erwartete von ihm die Entscheidungen, die sie selber nicht treffen konnten oder wollten.

Wie kommen wir über den Winter? Wohin sollen wir unsere Karren als Nächstes lenken und ähnliche Dinge mehr. Er wusste es ja meist selber nicht und verließ sich meist auf Venja, die alte Schamanin, die ihm aus der Lage der geworfenen Knochen die besten Lösungen für die Probleme des Clans voraussagte. Meistens stimmten ihre Prophezeiungen; zum Wohl des gesamten Clans.

Yesügai vertiefte sich in den dunklen Himmel, der von Sternen übersät war und hoffte auf ein Zeichen von Tengri, dem Himmelsgott. Ein hoffentlich gutes. Aber Tengri schlief jetzt. Wäre er wach, würde er den Himmel blau machen, nicht so dunkel lassen, dachte er. Aber auch die Götter müssen schlafen.

In der daneben stehenden Jurte hörte er seine Frau Üdschin stöhnen. Entsprechend der mongolischen Sitte hatte er sie einst geraubt und dann gleich vergewaltigt. Sie war ihm trotzdem eine gute Frau geworden und folgte bedingungslos seinen Wünschen und Befehlen.

Auch der ganze Clan hatte sie, wie es der Sitte entsprach, nach der Geburt ihres ersten Kindes, als vollwertiges  Familienmitglied  anerkannt.  Was konnte ein mongolischer Mann und Clanführer sich mehr wünschen?

Sie lag in den Wehen. Gerade war sie dabei ihr zweites Kind zur Welt zu bringen. Yesügai hoffte, dass es wieder ein Sohn werden würde. Einen Sohn hatte sie ihm schon geschenkt, Behter. Aber zwei Söhne oder noch mehr waren immer besser als nur ein einziger.

Die Familie würde erhalten bleiben, auch wenn einer der Söhne stürbe. Yesügai würde, wenn Tengri es zuließ, noch weitere Söhne zeugen. Das war ihm wichtig. Niemand konnte wissen, wie lange ein Mongolenleben währt. Schnell und überraschend konnte der Tod einen treffen. Und Fehden untereinander waren immer auszutragen.

Venja, die alte Schamanin hatte ihn erbarmungslos aus der Jurte in die Kälte hinaus geschickt. Es schicke sich nicht für einen Mann, bei einer Geburt dabei zu sein, hatte sie ihn angekeift. Venja war nicht nur eine bewährte Schamanin. Sie war Hebamme und Ärztin, konnte heilende Getränke und Salben mixen und kannte auch die Zukunft. Bei den Borjigin war sie hoch angesehen und stand in etwa im gleichen Rang wie der Häuptling.

Er hatte es daher gar nicht gewagt, ihr zu widersprechen, obwohl er viel lieber in der beheizten Jurte geblieben wäre. Er hätte sich auch zu einer Wand gedreht und sich die Ohren zugehalten, aber Venja war eben unerbittlich.

Die mongolischen Jurten waren und sind hervorragend an die extremen klimatischen Verhältnisse des Landes mit seinen Temperaturunterschieden angepasst. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sie in einem niederschlagsarmen Land in der Regel in Höhenlagen über tausend Metern mit entsprechend dünner und meist trockener Luft und häufigen Winden stehen. Eine Art Ofen in der Mitte wärmt die Jurte und alle, die drinnen sind. Nur Yesügai hockte draußen und hatte nichts von der so ersehnten Wärme.

Er hörte Üdschin stöhnen und auch die beruhigenden, magischen Sprüche der Schamanin. Üdschin lag schon einige Zeit - Yesügai fand viel zu lang - in den Wehen. Mitleid mit ihr empfand er nicht.

Es war eben die von Tengri zugewiesene Aufgabe der Weiber die Kinder auf die Welt zu bringen. Die Männer trugen mit ihrem gesunden Samen immerhin das Wichtigste dazu bei. Wozu sich also gegen den göttlichen Schöpfungsplan auflehnen?

Plötzlich erhellte ein greller Blitz den Himmel. Dann folgte ein tiefer dumpfer Donner. Yesügai zuckte zusammen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals in der Zeit des Eises einen Blitz am Himmel gesehen zu haben. War das ein Zeichen Tengris? Wahrscheinlich, hoffte er. Er wünschte sich auch, dass es ein gutes Zeichen gewesen war.

Dann hörte er auf einmal aus der Jurte das Schreien eines Kindes. Seines Kindes. Venja trat heraus. In ihren Händen hielt sie ein kleines, in Fell eingepacktes Bündel.

„Yesügai, da ist dein zweiter Sohn!“

Er betrachtete das kleine gelbgesichtige Bündel und ein kurzes Lächeln überflog sein Gesicht. „Ein Sohn! Tengri sei Dank!“

„Schau, was er in der Kampfhand gehalten hat, als er das Dunkel des Himmels entdeckte.“ Sie zeigte ihm einen kleinen blutigen Klumpen. Bei einer Geburt war das für die Mongolen ein Zeichen für die Stärke und die Willenskraft eines Neugeborenen.

„Er wird ein starker Krieger und ein großer Jäger werden“, so prophezeite ihm Venja.

Dann war der Blitz wohl auch ein Zeichen des Himmels, rekapitulierte Yesügai. Bessere, als diese beiden Zeichen konnte es wohl nicht geben. Seinen Sohn in Händen trat er nun in die Jurte ein. Er gab das Baby Üdschin, die es sofort an ihre Brust legte.

Sie lächelte ihren Gatten an. „Ich habe meine Pflicht erfüllt! Nun hast Du zwei Söhne. Welchen Namen wirst Du ihm wohl schenken?“

Yesügai dachte kurz nach. Nach alter mongolischer Sitte würde es der Name eines von ihm getöteten Feindes werden. Dadurch würden sich die Kraft, der Geist und der Willen des getöteten Feindes auf seinen Sohn übertragen.

„Ich werde ihn Temüdschin nennen!“

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