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Leseprobe

Eine ungewöhnliche Frau in einer gewöhnlichen Zeit

Seit dem Ende der Belagerung durch den Großwesir Kara Mustafa und das osmanische Heer hatte sich vor der westlichen Stadtmauer und dem Glacis die Rotlichtszene breit gemacht. Am Spittelberg tummelten sich all die Typen, Männlein und Weiblein, die ein >angepasster und frommer< Wiener Bürger am besten gar nicht kennen sollte. Aber natürlich kannte man sie. Besser als es manchen Ehefrauen recht war. Oft genug besuchte man die Wirthäuser am Spittelberg mit ihren vielfältigen Angeboten und holte sich dort das, was im ehelichen Bett nicht mehr funktionierte oder noch nie funktioniert hatte.

Über den Spittelberg notierte damals ein – vermutlich - höchstmoralischer Zeitgenosse: „... dass man da allerlei liederliche Wirtshäuser antrifft, in denen die leichtfertigsten Bubenstücke und Hurereien nebst anderen abscheulichen Sünden getrieben und begangen werden. Garstige Misthummeln, schädliche Nachteulen, Galanteriefräulein, und andere französische Frauenzimmer treiben das Venushandwerk daselbst.“

Nicht übersehen sollte man allerdings, dass viele Mädchen und Frauen durch die Armut gezwungen waren, dem Sexgewerbe nachzugehen. Die Szene von damals unterschied sich also in keiner Weise von den Rotlichtvierteln in den Städten der Jetztzeit. Auch damals schon gab es eine Art von Schleppern, die sich im Auftrag der Bordellbesitzer in den Dörfern des großen Reiches nach hübschen und unverbrauchten Mädchen umsahen und diesen die gleichen Flausen in den Kopf setzten wie es die Schlepper heute tun. Wehe dem Mädchen, wenn es auf die Tricks der Überredungskünstler hereinfiel. Ein nachträgliches Entkommen aus der Szene war damals genauso wie heute fast nicht möglich.

So bereitete auch das Zuhälterwesen, die >Straßenkupplerei< der Polizei damals schon besondere Probleme, ebenso wie die stark gestiegene Anzahl der Strichbuben. Mit diesen verfuhr man aber ganz einfach. Wehrtaugliche wurden kurzerhand zum Militärdienst verdonnert und meist böhmischen oder galizischen Regimentern zugewiesen. Was mit den Strichbuben geschah, darüber gibt es leider keine Informationen. Der Autor vermutet, dass man diese – den Gebräuchen der Zeit entsprechend – zur >Läuterung< in Klöstern unterbrachte. Sicher zur Freude mancher Mönche …

So in etwa waren die Gegebenheiten als man sich am Spittelberg über Neuzugänge an >Frischfleisch< freute. Eine dieser Neuzugänge war eine gewisse Emilie Pemmer. Mit ihr und ihrem Werdegang beschäftigt sich dieses Buch. Sie hatte Angst. Große Angst sogar. Aber ehrlich: wer hätte sie nicht, wenn man aus einem kleinen und fernen Ort kommt und sich plötzlich und ohne Übergang in einer Großstadt befindet? Dazu auch noch mangelnde Sprachkenntnisse in der Deutsch. Daheim hatte man tschechisch gesprochen. Sie blickte auf den Boden und verkrampfte ihre Finger. Ihren Reisepapieren nach stand sie knapp vor dem sechszehnten Lebensjahr, wirkte aber in ihrer Schüchternheit wie eine schlecht entwickelte Dreizehnjährige. Wahrscheinlich war sie auch nicht viel älter. Aber man nahm man es nicht so genau mit den Altersangaben. Eine Art Jugendschutzgesetz existierte nicht. Überhaupt nicht bei einer unbedeutenden Göre, die aus dem tiefsten Böhmen  - das Kaff aus dem sie kam hieß Chotebor; kein Mensch in Wien hatte jemals davon gehört - in der großen Hauptstadt gelandet war. Wie sie hergelockt, verschleppt oder verkauft worden, interessierte auch niemanden.

In ihrem Heimatdorf hatte ihr ein windiger Landsmann lauter Flausen in den Kopf gesetzt. So von guter Stellung in Wien, anständigem Verdienst und dergleichen mehr. Doch statt in dem erhofften adeligen oder industriellen Haushalt, wo sie sich als Stuben- oder Küchenmagd eine Beschäftigung erhoffte, verkaufte sie der in Wien ansässige Partner des Schleppers - der Zuhälter - in das verrufenste Viertel der Stadt. Sie landete am Spittelberg. Wie der werte Leser unschwer erkennen kann, war die Rotlichtszene Wiens ganz sicher kein empfehlenswerter Aufenthaltsort für ein naives böhmisches Mädchen. Zwar war die Prostitution in Wien seit 1827 verboten, aber keiner scherte sich darum. Die Huren nannte man halt nun Bierhäuslmentscher. Diese animierten die Gäste nicht nur zum Trinken, sondern waren auch für alle sexuellen Variationen gegen entsprechendes Salär zu haben. So konnten sich die Kirche und die Behörden im Glanz sonnen, dass es keine Prostitution in Wien gab und alles hatte somit seine (wienerische!) Ordnung. Immerhin vermittelte sie ihr Zuhälter in eines der besseren Lokale. Die >Maison Kininger< in der Gutenberggasse 23 war eines der renommierteren Bordelle Wiens und hatte viele Stammgäste aus Politiker- und Künstlerkreisen. Das hieß aber nicht, dass sich diese anders oder besser aufführten als die primitivsten Bierkutscher. Eher noch extremer.

Bei einigen der Prominenten waren Jungfrauen oder knabenhafte Mädchen oder Beides gemeinsam sehr begehrt und die Puffmutter konnte für so eine geschmalzene Preise verlangen, die auch anstandslos entrichtet wurden. Das Nobelbordell bestand bis hin zum Ersten Weltkrieg. Die Puffmutter, Madame Kininger, erwartete sich also von ihrem Neuzugang einen entsprechenden Geldsegen. In einigen Minuten wollte der bekannte Wienerlied-Sänger Edmund Guschlbauer sich sein besonderes Vergnügen mit dem Neuzugang gönnen.

Madame war um die fünfzig herum und ihr verlebtes Gesicht legte deutlich Zeugnis davon ab, wie und womit sie sich ihr Haus verdient hatte. Seitdem sie sich auf die Rolle der Madame zurückgezogen hatte, legte sie auch keinen besonderen Wert mehr auf eine schlanke Figur. Hin und wieder aber kamen auch Gäste ins Haus, die auf ältere und mehr wie vollschlanke Frauen besonders abfuhren. Da lege sich auch Madame gerne nochmal hin, wie sie betonte. Ein tief dekolletiertes Kleid zeigte eine beachtliche Oberweite und umhüllte ihre Dimensionen wie ein Denkmal das mit einer Fahne umwickelt wurde. Einer der Verpackungskünstler unserer Tage hätte seine Freude an Madame Kininger gehabt.

Die kleine, knabenhaft wirkende Emilie stand nun vor ihrer neuen Herrin. Gerade hatte sie erfahren, wo sie gelandet war und was von ihr erwartet wurde. Aus einem der Nebenräume hörte man das mehrmalige Knallen einer Peitsche oder sowas ähnlichem und eine keuchende und unangenehme Stimme: Fester! Fester hinhauen! Für was zahl ich dich denn, du ungeschicktes Luder!“

Emilie kannte sich nicht aus. Warum wurde da jemand verprügelt? Was hatte er getan? Sie bekam Angst, dass sie die Nächste wäre und begann zu weinen. Madame wurde böse: „Hör‘ auf zu heulen, du blöde Trutschen. Dankbar solltest sein, dass dich so ein feiner Herr ausgesucht hat. Der könnte jede haben.“  „Aber, aber – ich hab doch noch nie – hab Angst – große Angst. Tut weh! Hochwürden in Chotebor immer sagen, das ist Sünde – tödliche Sünde.“

„Ah was, wer scheißt sich um den Pfarrer in Chote- oder wie des Kaff heißt. Da ist der Spittelberg und mein Haus ist das feinste von überall überhaupt. Und du schau dich doch einmal an: kein Arsch, kein Busen. Nix ist dran an dir. Wird man sehen, wie der Herr Edmund zufrieden mit dir war. Nachher. Hoffentlich verlangt er nicht das Geld zurück.“Emilie stampfte mit dem Fuss auf und schrie: „Nein, nein! Ich will das nicht. Auf keinen Fall.“

Madame riss die Augen weit auf. Ihr Gesicht lief knallrot vor Wut an. Widerrede gab es bei ihr nicht. In den letzten fünf Jahren hatte es Eine einmal gewagt, sich Madames Anordnungen zu widersetzen. Ihr Hausdiener, Rausschmeißer und auch Leibwächter, ein Riese aus Ungarn namens Janos, hatte mit ihr kurzen Prozess gemacht. Die Leiche der Widerspenstigen wurde nie gefunden. Sie ging auch niemanden ab. Die Donau schwieg und strömte weiter bis hin ins Schwarzen Meer.

Sollte man mit der unwilligen Landpomeranze ebenso verfahren? Vielleicht später? Auf jeden Fall wollte Madame zuerst noch das Geld vom Guschlbauer lukrieren. Immerhin hatte sie an den Schlepper in Böhmen und an den Zuhälter in Wien auch Provisionen bezahlt. Auch die >Spenden< für diverse Beamte waren eine nicht zu unterschätzende Größe. Die Landpomeranze musste ganz einfach spuren. Also gab sie ihr eine schallende Ohrfeige: „Papperlapapp! Ja nicht aufbegehren, sonst kommt der Janos und macht dir eine tiefe Narbe Im Gesicht, dann schaut dich nicht einmal ein stinkender Bosniak mehr an. In meiner Maison bin ich der Pfarrer, der Kaiser, der Papst und alles, was du sonst noch willst. Kapiert?“ Das eingeschüchterte Mädchen hielt sich die Wange und nickte nur. Was blieb ihr auch anderes über?

Madame fuhr mit ihrer >Einschulung< fort: „Merke dir gleich noch eines: am Spittelberg wird deutsch geredet, nicht böhmisch. Erst wenn die Freier ordentlich zahlen, dann Französisch oder Griechisch! Emilie hatte die Doppelbedeutung dieser Worte offensichtlich nicht verstanden: „Nix rosprava – äh – nix reden Francuski oder Grecki – aber kann lernen, wenn Madame wünschen.“

Die abgebrühte Madame war von der Naivität ihres Neuzuganges fast gerührt. Sie überschlug rasch im Kopf ob dem Guschlbauer diese Naivität nicht ein paar Gulden mehr wert sein könnten. Etwas milder gestimmt wandte sie sich wieder Emilie zu: „Ganz sicher! Alles wirst du lernen, wenn du brav und folgsam bist! So, jetzt lass dich noch einmal anschauen! Hast du dich ordentlich gewaschen? Nicht dass du stinkst vom Orsch oder von der Kleschen.

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