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Ein mutiger Mann

Joao Couvinio war ein mutiger Mann. Ein sehr mutiger sogar. Er war nicht besonders groß oder kräftig. Mit seinen langen schwarzen Haaren und dem sonnenverbrannten Gesicht glich er eher einem Indio als dem würdigen Bischof der römisch-katholischen Kirche, der er eigentlich war. Im Vatikan hätten sie ihn wahrscheinlich mit seinem Aussehen ohne Identitätsnachweis gar nicht eingelassen Und wenn doch, dann nur unter größten Vorsichtsmaßnahmen. Als Titularbischof der kleinen Stadt São Félix do Araguaia im Mato Grosso sah es  Joao Couvinio als eine seiner wichtigsten Aufgaben an, die Rechte der indigenen Bevölkerung gegenüber den Regierenden und den wirtschaftlichen Despoten zu verteidigen. Und natürlich dabei auch den Glauben an die katholische Kirche entsprechend zu propagieren. Immer öfter und immer lauter wurden die Proteste des Bischofs, die er in die Predigten während seiner Gottesdienste einbaute. Er prangerte fortwährend die Ungerechtigkeiten an, die nicht nur in seiner Stadt gang und gäbe waren, sondern im ganzen großen Brasilien; die Armut, den Hunger und die Gewalt. Wegen dieses Engagements wurde er von den örtlichen Machthabern, Großgrundbesitzern, Politikern und Militärs vielfach angefeindet und mehrfach mit dem Tod bedroht. Ein Angebot seiner Gemeinde für ihn eine Leibwache zu stellen, lehnte er stolz ab. Sein Leben und sein Schicksal lägen in der Hand des Herrn, verkündete er immer wieder. Seine Gemeinde liebte ihn und verehrte ihn wie einen Vater. Bevor ihn der Vatikan zum Bischof ernannte fragte er seine Gemeinde, ob sie ihn überhaupt als Bischof wollten. Die Zustimmung war eine überwältigende. Dann, als er Bischof war akzeptierte er als die Mitra nur den üblichen Strohhut der Kleinbauern. Als Ring und Hirtenstab waren ihm die Symbole der indigenen Bevölkerung gerade recht: ein schwarzer Bischofsring, hergestellt aus dem Holz der Tucum-Palme und ein Ruder der Tapirapé-Indianer als bischöflicher Hirtenstab. Dies trug ihm noch mehr Anerkennung seiner Gläubigen ein. Eigentlich war der Bischof einen der ersten Grünen Brasiliens wenn dieser Begriff damals schon geläufig gewesen wäre. Das zu einer Zeit, in der die Grünbewegung in Europa erst langsam Fuß fasste. Genauso richtig wäre Couvinio aber auch bei Amnesty International am Platz gewesen. Das Streben des Jesuiten ging dahin, durch ein gelebtes christliches Vorbild die gesellschaftlichen Verhältnisse in einem der größten Länder der Welt entscheidend zu verbessern; insbesondere die der indigenen Völker. So galt er weltweit auch mittlerweile als einer der wichtigsten Vertreter der so genannten Theologie der Befreiung in Lateinamerika. Diese Parteinahme und sein Einsatz für soziale Gerechtigkeit trugen ihm auch Konflikte mit einigen Behörden im Vatikan ein, was ihn aber weiter nicht bekümmerte. Der Vatikan war weit und von den >Theoriechristen<, wie er sie nannte, hielt er ohnehin sehr wenig. Dies beruhte allerdings auf Gegenseitigkeit.

Im Mato Grosso

Der Ort São Félix do Araguaia liegt mitten im Urwald des Mato Grosso, eine der am dünnsten besiedelten Regionen Brasiliens und mehrheitlich von den Tapirapé-Indianern bewohnt. Einer indigenen Urbevölkerung die sich gezwungenermaßen an die Sitten und Gebräuche der weißen Eroberer angepasst hatte. Zwar vermutete die Indianerbehörde, dass in den riesigen unzugänglichen Waldgebieten noch Indios in ihren alten Traditionen lebten, die keine Ahnung von den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 400 Jahre hatten und noch nie einen Weißen gesehen hatten. Oder vielleicht auch gar nicht sehen wollten. Im Mato Grosso befindet sich unter anderem eines der größten Binnenland-Feuchtgebiete der Erde.  Das Pantanal. Obwohl offiziell unter Naturschutz gestellt scherte sich in Wahrheit kein Hund darum. Die allmächtige Holzindustrie samt ihren für das Land wichtigen Einkünften war den Verantwortlichen viel wichtiger als die Bewahrung des Lebensraumes einiger Wilder. Und heute musste der Bischof ihnen eine schlimme Nachricht verlautbaren. Über einen Vertrauten in der Provinzhauptstadt Cuiabá hatte er erfahren, dass weitere Rodungen im Pantanal genehmigt worden waren. Die Lebensräume der Tapirapé würden dadurch neuerlich schrumpfen. Mit dem Fällen der Edelhölzer war es nicht getan. Das dem Schlägern folgende Abbrennen vertrieb auch das jagdbare Wild. Die Holzfäller gründeten Siedlungen, die zwar zuerst illegal waren, aber aus denen mit einigen dicken Kuverts an die zuständigen Beamten sehr rasch legale wurden. Diese Siedlungen brauchten dann noch Zufahrtsstraßen um den nötigen Nachschub zu bringen. Es versteht sich von selbst, dass hierfür nur die besten Plätze ausgewählt wurden.  Dort, wo es noch fruchtbaren Boden und genügend Wasser gab. Kurz: ein Stück Regenwald war wieder unwiederbringlich verloren. Die kleine, aus Holz erbaute Kirche von São Félix do Araguaia platzte heute wieder fast aus allen Nähten. Es hatte sich herumgesprochen, dass es wichtige Neuigkeiten zu hören geben würde. Bis auf die staubige Straße hinaus teilten die Gläubigen die Freude mit Couvinio, Jesus Christus die Ehre erweisen zu dürfen. So sah es zumindest für Unbeteiligte aus. Die unerfreulichen Nachrichten aus Cuiabá  wollte und musste der Bischof in seiner heutigen Predigt an seine Gemeinde weitergeben. In seiner üblich starken und bewegenden Sprache. Allerdings musste er dabei auch darauf achten, die Emotionen seiner Zuhörer nicht allzu sehr zu bewegen. Der letzte Krieg, den die Indios gegen die Weißen führten, war noch nicht allzu lange vorbei und hatte mit großen Verlusten auf beiden Seiten geendet. Allerdings mit wesentlich mehr bei den Indios. Trotz ihres Mutes und ihrer Tapferkeit hatten sie den überlegenen Waffen der Weißen nichts entgegenzusetzen. Ein Wiederaufflackern dieser bewaffneten Auseinandersetzung wollte der Bischof unter allen Umständen vermeiden. So sprach er anfänglich vom Christuswort, die Feinde zu lieben und im Zweifelsfall auch die linke Backe hinzuhalten, wenn die rechte geschlagen wurde. Aber dann gingen doch die Empörung und die Wut über die Vorhaben der Provinzialregierung mit ihm durch. Er ereiferte sich über die  Diebe, Räuber und Mörder, die im Auftrag anderer Diebe, Räuber und Mörder ihre Verbrechen begingen. Sowohl an der Umwelt als auch an den Menschen. Seine Predigt, die vielmehr einer Rede für eine Revolution glich, wurde mit großen Emotionen aufgenommen. Die Blicke der meisten Männer wurden finster bei seinen Worten und so manche Faust ballte sich zusammen. Einige der anwesenden Frauen schluchzten leise. Bischof Couvinio verabscheute aber auch jegliche Gewalt. Egal, von welcher Seite sie kam. Darum vergaß er nicht – trotz der Hiobsbotschaft - wieder nachdrücklich daran zu erinnern, dass die Gerechtigkeit des Lebens ausschließlich durch Gott bestimmt werde und niemand sich das Recht nehmen dürfe, dieses göttliche Gesetz zu umgehen. So hoffte er, den Unmut und den Zorn der Indios über das Vorgehen der Mächtigen  im Zaum halten zu können. „Ir que vos enviaram“. Mit diesen Worten beendete Bischof Joao Couvinio seinen heutigen Gottesdienst. Er segnete die Anwesenden und blickte ihnen nach, als sie seine kleine Kirche verließen.  Erregte Diskussionen waren vor der Kirche zu hören. Der Mesner trug die heiligen Gerätschaften zurück in den der Kirche angeschlossenen Raum, der als Sakristei, Arbeits- und Besprechungszimmer diente. Plötzlich drang, aus dem Raum ein unnatürliches Geräusch nach draußen. Es klang wie das Gurgeln eines Erstickenden. Dann fielen einige Gerätschaften mit lautem Krachen zu Boden. Couvinio stürzte so schnell er konnte zur Sakristei und riss mit einem Ruck die Tür auf.  Was er da sah machte ihn erschauern.  Roberto, sein Mesner lag mit durchschnittener Kehle am Boden. Sein Blut rann wie ein Wasserfall aus der tödlichen Halswunde. Drei Männer, in schwarze Masken gehüllt, die nur die Augen freiließ, standen um die Leiche des Mesners herum. Einer der drei wischte gerade seine blutige Machete an Robertos Kleidung ab. „Was, was – „ stammelte der Bischof noch, dann traf ihn ein Hieb mit einem Baseballschläger auf den Kopf. Er ging bewusstlos zu Boden. Die drei Männer packten den Bischof in einen Jutesack, trugen diesen zu einem geländegängigen Auto und warfen ihn roh hinein. Dann fuhren sie mit ihrer Beute ab. Die goldenen Sakralgefässe nahmen sie auch noch mit. Sie entkamen ungesehen. Der Mord an dem Mesner wurde am nächsten Morgen entdeckt. Dass der Bischof verschwunden war fiel noch niemandem auf. Der herbeigerufene Dorfpolizist nahm den Mord in ein Protokoll auf, dessen Inhalt er auf der Polizeistation gleich wieder vergaß. Mein Gott, es passierten soviel Untaten in seinem Revier, dass er sich nicht um jede kümmern konnte und wollte. Also schrieb er auf das Deckblatt des Protokolls „Täter unbekannt, keine Spuren, keine Zeugen“ und legte es in einen Schrank, der mit  ähnlichen Protokollen schon voll war. Als Couvinio zwei lange Tage und Nächte nicht auftauchte begann man sich Sorgen um ihn zu machen. Der träge Dorfpolizist wurde damit befasst. Nun, bei einer so wichtigen Person wie einem abgängigen Bischof konnte er sich nicht auf die übliche Laxheit zurückziehen. Er meldete den Vorfall an die Behörden der Provinzhauptstadt. Diese sandten einen Hubschrauber mit einem Piloten aus, der das Gebiet mehrere Male abflog. Eine total sinnlose Maßnahme. Denn auch der scharfsichtigste Pilot konnte durch die Baumkronen nicht bis auf den Boden sehen. Und wenn den hochwürdigen Herrn Bischof vielleicht eine Übelkeit befallen hatte und er hilflos am Boden lag, so hätte ihn niemand von oben finden können. Wieder zwei Tage später bildeten die Indios seiner Gemeinde mehrere Stoßtrupps, die die Gegend nach ihrem Bischof absuchten. Und wieder zwei Tage später brachten sie eine grausig entstellte Leiche mit. Man konnte nicht erkennen, ob es der gesuchte Bischof war oder irgendein anderer. Die Leiche war skalpiert worden und die Tiere des Waldes hatten bereits begonnen, sich an ihr gütlich zu tun. Man vermutete aber, dass der entstellte Tote Bischof Couvinio sein musste. Denn neben der Leiche  war sein Bischofsstab aufgepflanzt und darauf seine Mitra. Von den Mördern fand sich keine Spur. Im fernen Rio de Janeiro ließ sich ein zufriedener älterer Herr, namens Manuel Garcia, einen erfrischenden Cocktail mixen und beauftragte seinen Sekretär an den Vatikan eine größere Spende in Dollars weiterzuleiten. „Dem Herrn sei Dank“, prostete er sich zu. „Die Sau ist endlich verreckt“. Der Cocktail war ausgezeichnet gekühlt und schmeckte wirklich sehr gut.

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